Samstag, 5. März 2016

Keine neue Schule, ein neues politisches Denken braucht die Stadt



15.02.2020: Man kann gar nicht oft genug an die alte Geschichte von der Graserschule erinnern. Zum einen halten die antisozialen Versuche, die Sanierung dieser Schule zu verhindern, nach wie vor an. Zum andern wird deutlich, wie vorgestrig der aktuelle Stadtrat seit Jahren vor sich hin wütet: ......
Wie sehr CSU-Stadtrat Klaus Klötzer mit seiner Philippika gegen den Standort der Graserschule danebenliegt, hat die Initiative „Rettet die Graserschule“ sehr schön dokumentiert, z.B. auf 
http://www.rettet-die-graserschule.de/2016/03/faktenanalyse-klaus-kloetzer-und-der-feinstaub-i/ . So ist die von den Modernisierungsverweigerern gern angeführte Feinstaubbelastung am Hohenzollernring in den letzten Jahren dramatisch zurückgegangen. Sie beträgt nur noch ein Viertel des zulässigen Mittelwertes. Die Lärmbelastung am Nordring ist, entgegen des Lamentos der Modernisierungsverweigerer, nicht deutlich niedriger, sondern ähnlich hoch wie in der Innenstadt.

Wie unhistorisch Konservative denken, demonstrierte auch wieder Stadtrat Klaus Klötzer , der wohl so etwas wie der facebook-Beauftragte der Modernisierungsverweigerer ist, mit seiner Aussage vom 21.12.2015: „Verkehr nimmt bekanntermaßen nie ab, sondern stetig zu“.  Doch anders als im eingefrorenen Status-Quo-Denken der Modernisierungsverweigerer ist die Zunahme des motorisierten Individualverkehrs kein unumstößliches Naturgesetz, wie inzwischen zahlreiche Städte beweisen.

Die deutschen Städte Münster und Erlangen sind seit langem als vorbildliche Radfahrstädte bekannt. In Münster werden 37 % aller Wege mit dem Rad erledigt, in Erlangen  30 %, soll aber bis 2020 um weitere 5 bis 7 % gesteigert werden.  Amsterdam, Wien, Kopenhagen und Stockholm sind europäische Glanzlichter einer neuen ökologischen Verkehrspolitik. So will Kopenhagen bereits bis 2025 im Verkehr klimaneutral sein, Stockholm bis 2050. In Wien ging der Anteil des Autoverkehrs von 2008 bis 2014 um sechs auf 27 Prozent zurück, bis 2020 soll er auf 20 % gedrückt werden(http://www.bund-naturschutz.de/presse-aktuelles/magazin.html).


Selbst der bundesdeutsche BMW-Verkehrsminister Dobrindt bewegt sich ein bißchen:  "Wir schaffen jetzt den Rechtsrahmen, damit die Straßenverkehrsbehörden ohne größere bürokratische Hürden Tempo 30 vor Schulen und Kindergärten auch an Hauptverkehrsstraßen anordnen können." So verkündete er es am 18.2.2016 vor der bundesdeutschen Presse (http://mesh-web.de/content/%5B4711-%5D-bundesverkehrsminister-dobrindt-will-mehr-tempo-30-st%C3%A4dten). Eine solche Senkung verringert den Lärm gegenüber 50 km/h um 3 bis 5 Dezibel, d.h. etwa um die Hälfte. Bei den Abgasemissionen ist nach den bisherigen Erfahrungen mit Tempo 30 km/h ein Rückgang von 24 % zu erwarten. 


Für den Verkehr kommt eine neue Greenpeace-Studie mit dem Titel „Was bedeutet das Pariser Abkommen für den Klimaschutz in Deutschland“ zu diesem Schluß: Der Individualverkehr muß zu Gunsten des öffentlichen Verkehrs um 10 % pro Jahrzehnt sinken, wenn die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden soll. Zusätzlich muß der Individualverkehr dafür bis 2035 vollständig elektrifiziert werden(http://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/160222_klimaschutz_paris_studie_02_2016_fin_neu.pdf). Was ich in meinem Blog vom 4.11.2015 mit dem Titel „Eine Politik wie saures Bier“ (http://www.kolbsportal.de/KolbsBlog/tabid/61/EntryId/40/Eine-Politik-wie-saures-Bier.aspx) bereits ansprach, wird mit dieser Greenpeace-Studie belegt und näher ausgeführt. Bayreuth braucht dringend ein ökologisches Verkehrskonzept, mit dem die Versprechungen der Pariser Klimakonferenz lokal umgesetzt werden können. Machbar ist das. Und es nützt nicht nur einer Schule, sondern allen Menschen, die an lärmverseuchten Straßen wohnen, lernen und arbeiten müssen, wie das die grüne Stadträtin Sabine Steininger bereits gesagt hat.

Dummerweise steht der ökologischen Modernisierung des Verkehrs in Bayreuth eine besonders halsstarrige Verweigerungsfront im Weg. Gebildet wird sie von denen, die jetzt auch die Modernisierung der Graserschule verweigern: CSU, SPD, FDP, Junges Bayreuth und DU, die BG gehört allerdings meist auch dazu. Sie hinterlassen auch an anderen Stellen häßliche Spuren ihrer desaströsen Halsstarrigkeit:


Die Pottensteiner Straße ist seit ihrem Umbau ein in Asphalt und Beton gegossenes Symbol einer autozentrierten Verkehrspolitik, bei der ausnahmsweise versucht wurde, auch ein bißchen die Interessen eines sichtbar zunehmenden Radverkehrs zu berücksichtigen. Das ging schief. Der ebenso autozentrierte Versuch der Autoideologen, die Radfahrer daraufhin in den Park abzuschieben, ging erfreulicherweise auch schief. Die Autoideologen, vertreten durch den Altoberbürgermeister und Stadtrat Michael Hohl,  gaben daraufhin aber nicht ihre Fehler zu, sondern versuchten, die Schuld auf die Verwaltung zu schieben, obwohl die sie vor der dämlichsten aller dämlichen Umbaulösungen gewarnt hatte. Das ist nicht nur halsstarrig, das ist auch noch armselig.


Ohne es zu ahnen,  boten die Modernisierungsverweigerer ein besonders absurdes und für den Kundigen amüsantes Schauspiel, als es um den Antrag des grünen Stadtrates Klaus Wührl ging, eine Shared-Space-Zone einzurichten. An dem Konzept „Shared Space“ ist nur die Bezeichnung neu, das damit bezeichnete Mischkonzept ist uralt. Es wurde bis zur Verabschiedung der „Charta von Athen“ im Jahre 1933 jahrhundertelang in allen Städten dieser Welt praktiziert. Das Dogma der städtebaulichen Funktionstrennung, das die Charta von Athen verkündete, wurde in den 1980er Jahren wieder weitgehend aufgegeben. Man sah ein, daß die negativen Folgen dieser Funktionstrennung die positiven überwogen. Bis zu den halsstarrigen Bayreuther Modernisierungsverweigerern scheint aber weder die Kunde von dem jahrhundertelang geltenden verkehrlichen Mischprinzip noch von seiner Abschaffung und seiner Wiederauferstehung gedrungen zu sein. Nur so ist zu erklären, daß sie Klaus Wührl  „verkehrspolitische Ideologie“ vorwarfen. Bei diesen StammtischpolitikerInnen haben 80 Jahre Verkehrs- und Städtebaugeschichte keine Spuren im Denken hinterlassen.  Als wäre da nur ein schwarzes Loch.


Die anstehenden drei Bürgerentscheide scheinen zu belegen, daß dieses schwarze Loch Bayreuther Stadtpolitik auch den BürgerInnen bewußt wird. Mit einem Bürgerbegehren  verkünden BürgerInnen, daß sie mit Beschlüssen des Stadtrates so sehr nicht zufrieden sind, daß sie die Verantwortung und Entscheidung darüber dem Stadtrat wieder abnehmen wollen. Das ist ein massives Mißtrauensvotum. Spektakulär an den Bayreuther Mißtrauensvoten ist nicht nur, daß gleich drei  angeleiert wurden, sondern dies auch noch kurz nach den letzten Stadtratswahlen im Jahr 2014. Erwacht da eine Bewegung gegen halsstarrige Modernisierungsverweigerer, deren Verharren in obsolet gewordenen Politikkonzepten immer offensichtlicher wird? Führt das, ähnlich wie im großpolitischen Maßstab in Griechenland und Spanien, zur Implosion des überkommenen Politmonopols in Bayreuth? Schön wär´s.

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