Samstag, 15. Februar 2020

Leute, wählt Frauen


Wer immer noch geglaubt hat, die seit Beginn der aktuellen Stadtratsperiode anhaltenden wütenden Angriffe einer testosterongesteuerten Männerclique namens „Gestaltungsmehrheit“ auf die Oberbürgermeisterin hätten nichts mit patriarchalischem Dominanzverhalten zu tun, sollte es ab sofort besser wissen; denn bei der diesjährigen Haushaltsberatung wurde neben der Oberbürgermeisterin auch Frau Urte Kelm, Referentin für das Bauwesen, persönlich angegriffen. Von persönlichen Angriffen auf männliche Referenten war im Bericht des NK nicht die Rede. Was da auf psychologischer Ebene abläuft, könnte wahrscheinlich nur eine wissenschaftliche Arbeit über „die Massenpsychologie männlicher beleidigter Leberwürste“ klären. Beleidigt sind sie wohl, weil eine Frau es im Jahr 2012 gewagt hat, einem der ihren diesen tollen Job wegzuschnappen, der doch sowieso nur den „großen Fraktionen“ zustünde, also vormals SPD oder CSU. Begründet wurde die Kritik an der Oberbürgermeisterin wieder einmal damit, daß sie dem Stadtrat alle möglichen Investitionen zur Entscheidung vorgelegt hatte, nicht nur eine Vorauswahl mit finanziell zu bewältigenden. Eine solche Vorauswahl zu fordern ist, als würde ein Mann verlangen, kastriert zu werden. Auch die Kritik an Frau Kelm erwies sich als substanzlos.
Begünstigt wird dieses irrationale männliche Dominanzverhalten, weil im aktuellen Stadtrat nur neun Frauen mit 35 Männern auskommen müssen. Da ist Widerstand aussichtslos. Man muß aber die Oberbürgermeisterin bewundern, die diesen Machos mit stoischer Ruhe begegnet. Das verheerende Mißverhältnis von 9 : 35 muß am 15.3.2020, wenn der neue Stadtrat gewählt wird, deshalb dringend beseitigt werden. Die Gelegenheit ist günstig, weil diesmal eine reine Frauenliste antritt, die in erstaunlich kurzer Zeit genügend Unterschriften dafür gesammelt hat. Schon das deutet darauf hin, daß auch andere es für dringend halten, die Männerdominanz zu beenden.
„Im Populationsvergleich agieren Frauen im Vergleich zu Männern genauer, sachbezogener und pragmatischer“ (Kotrschal, Kurt Univ.prof.. Mensch: Woher wir kommen, wer wir sind, wohin wir gehen (German Edition) . Christian Brandstätter Verlag.) Schon wegen dieser im Buch gut begründeten These muß man einen mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzten Stadtrat nicht fürchten, sondern angesichts der gegenwärtigen Männerkatastrophe geradezu herbeisehnen. Die Stadt braucht in den bereits laufenden Umbruchzeiten keine Menschen, die in ihren alten Erfahrungen, Gewohnheiten, Vorurteilen und Ideologien so sehr versunken sind, daß sie allem Neuen so feindselig und ängstlich gegenüber stehen wie der Frosch, der seinen kleinen Tümpel nie verlassen wird. Wer soll denn den Radentscheid umsetzen? Männer wie Helmut Parzen, der mir regelmäßig aufgefallen ist, weil er noch jede Entscheidung pro Radverkehr geradezu hasserfüllt zu verhindern suchte? Womit er nie alleine blieb? Über die Autos verfügen noch immer in der Regel die Männer. Schon das disqualifiziert sie, wenn es um die dringend notwendige Änderung des Mobilitätsverhaltens pro Umweltverbund geht (Zu-Fuss-Gehen, Radfahren, Busfahren); denn wenn es um Mobilität geht, dann rufen sie nach dem Bau von Straßen. Es geht aber darum, den städtischen Raum wieder den Autos wegzunehmen und den Menschen zurückzugeben. Und wer soll Bayreuth endlich kinderfreundlicher, sozialer und ökologischer gestalten? Der spätpubertäre Männerzirkus kannte immer nur das eine Ziel: Bauen, Bauen, Bauen. Im Mittelpunkt des Geschehens stand nach der Fertigstellung des Richard-Wagner-Museum sogleich das FriedrichsForum. Der von den „Gestaltern“ betriebene Neubau der Graserschule sollte die Interessen der Bayreuther Privilegierten bedienen, war also ein antisoziales Projekt. Es geht aber um die Verwandlung der Stadt in eine soziale und ökologiegerechte Umwelt, in der nicht mehr das Bauen von Prestigeobjekten im Vordergrund steht, sondern die sozialen Beziehungen der Menschen untereinander und mit der Natur. Kein Projekt für geistig alte Machomänner.

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