Donnerstag, 5. Mai 2016

Die Stadthalle, bornierte Arroganz und viele Fragen


Eigentlich wollte ich am Sonntag trotz aller Bedenken für die große Lösung der Stadthallensanierung stimmen. Und eigentlich wollte ich auch nichts mehr dazu schreiben. Doch dann kamen in den letzten Tagen wieder so Kennzeichnungen wie „maßgeschneidert oder kleinkariert“ (Matthias Ose in einer Karikatur auf facebook) oder „dann hat wieder eine Minderheit entschieden“(Werner Ponsel im NK-Artikel von heute) oder „Da Herr Abele weitgehend unbekannt ist“,……., „sollte er sich den Bürgern vorstellen und uns davon überzeugen, dass sein sonstiges bürgerliches Engagement vom Wohl für die Stadt Bayreuth getragen ist“ (Fritz Miosga in seinem Leserbrief von heute) oder „Dass man jetzt noch kein ausgeklügeltes Nutzungskonzept vorlegen kann, ist doch ganz klar“ (Klaus Höreth in seinem Leserbrief vom 3.5.2016). Das ist alles ziemlich arrogant daher gerotzt von Menschen, für die offensichtlich von vornherein nur die große Lösung infrage kam.


Es gibt aber halt auch noch Leute wie mich, für die ein „ausgeklügeltes Nutzungskonzept“ eine unverzichtbare Grundlage („k.o.-Kriterium“) für eine 55-Millionen-Entscheidung ist. Nur gibt es aber nicht einmal eine Ist-Analyse des Kulturreferenten, wie es um die Kultur in Bayreuth steht, von einem Sollkonzept ganz zu schweigen. Auf meine Frage über facebook nach Nutzerzahlen zur Stadthalle wurde ich auf die Informationsveranstaltungen der Stadtverwaltung verwiesen. Erwartet hatte ich, daß sich die Stadtverwaltung für den Hinweis auf ein gravierendes Informationsdefizit bedankt und diese Zahlen zumindest im Internet veröffentlicht: wie viele Nutzer haben in der Vergangenheit welche Veranstaltungen besucht und was ist für die Zukunft zu erwarten (Marktanalyse). Die Informationen über Architektur und Technik, die man dort findet und bei den Informationsveranstaltungen bekommt, sind „nice to have“, aber keine Entscheidungsgrundlage.


Für mich ist auch nicht ad hoc klar, daß „ja vieles selbstverständlich weitergehen wird wie bisher“ (Klaus Höreth in seinem Leserbrief vom 3.5.2016). Wenn man nach Jahrzehnten des sanierungstechnischen Stillstandes eine der wichtigeren Kulturstätten generalüberholen will, sollte man sich schon erst einmal über den Kulturbegriff verständigen, der sich seit den 1960er Jahren ja möglicherweise geändert hat. Geht man vom Begriff „kulturelle Evolution“ aus, den Philosophen und Soziologen (z.B. Niklas Luhmann) für die von der biologischen Evolution zu unterscheidende Entwicklungsgeschichte des Menschen verwenden, ist Kultur alles, was der Mensch erschafft. Da fällt dann nicht nur Goethes  „Iphigenie auf Tauris“ drunter, sondern auch Rock, Fußball und, man glaubt es kaum, Pornografie. Auch die Möglichkeiten, kulturelle Events wahrzunehmen, haben sich gewaltig verändert. Es gibt auf CD oder „on demand“ übers Internet tolle Serien wie „Breaking Bad“ oder „House of Cards“, die mit den heutigen Lebensverhältnissen mehr zu tun haben als Schillers „Räuber“. Die dazu passenden technischen Möglichkeiten kennt jeder. Die Festspielleiterin Katharina Wagner hat auf diese veränderten Wahrnehmungsgewohnheiten vor Jahren toll reagiert mit dem public viewing von Wagneropern auf dem Volksfestplatz. Kann das in einer umgebauten Stadthalle, natürlich in kleinerem Rahmen und auch zu anderen Anlässen, umgesetzt werden? Kann man dem heutigen Kulturbegriff vielleicht gerechter werden, indem man die Stadthalle zu einem Bürgerhaus umbaut? Nicht mit einem großen und zwei weiteren kleineren Sälen, sondern mit mehreren kleineren Räumen und nur einem großen Saal? Auch für die Klärung solcher Fragen braucht man, wie bereits angesprochen, eine nichttechnische Ist-Analyse und ein Sollkonzept. 


Im Mahlerjahr 2011 habe ich nicht nur ein Symphoniekonzert in der Stadthalle besucht, sondern bin auch mehrmals nach Bamberg gefahren, weil Mahler halt mein Lieblingskomponist ist. Was in der dortigen Konzerthalle möglich ist, wird man auch in einer groß umgebauten Stadthalle nie verwirklichen können. Aber was spricht dagegen, ab und zu nach Bamberg zu fahren? Oder nach Nürnberg? Seit auch Bamberg und Bayreuth dem Nürnberger Verkehrsverbund angehören, kostet die Hin- und Rückfahrt nach beiden Städten mit dem ÖPNV weniger als 20 Euro. Man muss nicht alles in der gleichen Stadt haben und schon gar nicht alles im gleichen Haus. Auch solche Möglichkeiten müssten vor dem Umbau geklärt sein. Aus all diesen Gründen und weil ich bornierte Arroganz nicht mag, werde ich jetzt gegen die große Lösung stimmen.

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