Eigentlich wollte ich am Sonntag trotz aller Bedenken für die
große Lösung der Stadthallensanierung stimmen. Und eigentlich wollte ich auch
nichts mehr dazu schreiben. Doch dann kamen in den letzten Tagen wieder so
Kennzeichnungen wie „maßgeschneidert oder kleinkariert“ (Matthias Ose in einer
Karikatur auf facebook) oder „dann hat wieder eine Minderheit entschieden“(Werner
Ponsel im NK-Artikel von heute) oder „Da Herr Abele weitgehend unbekannt
ist“,……., „sollte er sich den Bürgern vorstellen und uns davon überzeugen, dass
sein sonstiges bürgerliches Engagement vom Wohl für die Stadt Bayreuth getragen
ist“ (Fritz Miosga in seinem Leserbrief von heute) oder „Dass man jetzt noch
kein ausgeklügeltes Nutzungskonzept vorlegen kann, ist doch ganz klar“ (Klaus
Höreth in seinem Leserbrief vom 3.5.2016). Das ist alles ziemlich arrogant
daher gerotzt von Menschen, für die offensichtlich von vornherein nur die große
Lösung infrage kam.
Es gibt aber halt auch noch Leute wie mich, für die ein
„ausgeklügeltes Nutzungskonzept“ eine unverzichtbare Grundlage
(„k.o.-Kriterium“) für eine 55-Millionen-Entscheidung ist. Nur gibt es aber nicht
einmal eine Ist-Analyse des Kulturreferenten, wie es um die Kultur in Bayreuth
steht, von einem Sollkonzept ganz zu schweigen. Auf meine Frage über facebook
nach Nutzerzahlen zur Stadthalle wurde ich auf die Informationsveranstaltungen
der Stadtverwaltung verwiesen. Erwartet hatte ich, daß sich die Stadtverwaltung
für den Hinweis auf ein gravierendes Informationsdefizit bedankt und diese
Zahlen zumindest im Internet veröffentlicht: wie viele Nutzer haben in der
Vergangenheit welche Veranstaltungen besucht und was ist für die Zukunft zu
erwarten (Marktanalyse). Die Informationen über Architektur und Technik, die
man dort findet und bei den Informationsveranstaltungen bekommt, sind „nice to
have“, aber keine Entscheidungsgrundlage.
Für mich ist auch nicht ad hoc klar, daß „ja vieles
selbstverständlich weitergehen wird wie bisher“ (Klaus Höreth in seinem
Leserbrief vom 3.5.2016). Wenn man nach Jahrzehnten des sanierungstechnischen
Stillstandes eine der wichtigeren Kulturstätten generalüberholen will, sollte
man sich schon erst einmal über den Kulturbegriff verständigen, der sich seit
den 1960er Jahren ja möglicherweise geändert hat. Geht man vom Begriff
„kulturelle Evolution“ aus, den Philosophen und Soziologen (z.B. Niklas
Luhmann) für die von der biologischen Evolution zu unterscheidende
Entwicklungsgeschichte des Menschen verwenden, ist Kultur alles, was der Mensch
erschafft. Da fällt dann nicht nur Goethes
„Iphigenie auf Tauris“ drunter, sondern auch Rock, Fußball und, man
glaubt es kaum, Pornografie. Auch die Möglichkeiten, kulturelle Events
wahrzunehmen, haben sich gewaltig verändert. Es gibt auf CD oder „on demand“
übers Internet tolle Serien wie „Breaking Bad“ oder „House of Cards“, die mit
den heutigen Lebensverhältnissen mehr zu tun haben als Schillers „Räuber“. Die
dazu passenden technischen Möglichkeiten kennt jeder. Die Festspielleiterin
Katharina Wagner hat auf diese veränderten Wahrnehmungsgewohnheiten vor Jahren toll
reagiert mit dem public viewing von Wagneropern auf dem Volksfestplatz. Kann
das in einer umgebauten Stadthalle, natürlich in kleinerem Rahmen und auch zu
anderen Anlässen, umgesetzt werden? Kann man dem heutigen Kulturbegriff
vielleicht gerechter werden, indem man die Stadthalle zu einem Bürgerhaus
umbaut? Nicht mit einem großen und zwei weiteren kleineren Sälen, sondern mit
mehreren kleineren Räumen und nur einem großen Saal? Auch für die Klärung
solcher Fragen braucht man, wie bereits angesprochen, eine nichttechnische Ist-Analyse
und ein Sollkonzept.
Im Mahlerjahr 2011 habe ich nicht nur ein Symphoniekonzert in
der Stadthalle besucht, sondern bin auch mehrmals nach Bamberg gefahren, weil
Mahler halt mein Lieblingskomponist ist. Was in der dortigen Konzerthalle
möglich ist, wird man auch in einer groß umgebauten Stadthalle nie
verwirklichen können. Aber was spricht dagegen, ab und zu nach Bamberg zu
fahren? Oder nach Nürnberg? Seit auch Bamberg und Bayreuth dem Nürnberger
Verkehrsverbund angehören, kostet die Hin- und Rückfahrt nach beiden Städten mit
dem ÖPNV weniger als 20 Euro. Man muss nicht alles in der gleichen Stadt haben
und schon gar nicht alles im gleichen Haus. Auch solche Möglichkeiten müssten
vor dem Umbau geklärt sein. Aus all diesen Gründen und weil ich bornierte
Arroganz nicht mag, werde ich jetzt gegen die große Lösung stimmen.
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